Christian Stocker: Sparpakete schnüren ist ideen- und wirkungslos

Der Vizebürgermeister im Interview über Sinn und Zweck des Sanierungsverfahrens und die Frechheit der SPÖ

Seit die bunte Regierung im Amt ist, geht in Wiener Neustadt viel weiter. Auf der anderen Seite heißt es, die Stadt ist eigentlich pleite. Wie passt das zusammen? Es gibt natürlich laufende Einnahmen z.B. aus Steuern und Abgaben, die wir verwenden können – mit viel Kreativität kann man damit im Kleinen etwas bewegen. Aber grundsätzlich hat die Stadt jahrelang weit über ihre Verhältnisse gelebt und steht jetzt vor einem unfassbar hohen Schuldenberg. Diese Situation hat uns die SPÖ hinterlassen Was bedeutet das in konkreten Zahlen? Wiener Neustadt hat ein Jahresbudget von rund 160 Millionen Euro. Die SPÖ hat diesen finanziellen Rahmen Jahr für Jahr um bis zu 20 Millionen Euro überzogen. Das Ergebnis ist ein Schuldenstand von derzeit rund 360 Millionen Euro. Derzeit läuft ein Sanierungsverfahren, mit dem die Finanzen der Stadt neu geordnet werden sollen. Was steckt hinter diesem Prozess? Ziel des Sanierungsverfahrens ist es, alle Ausgaben der Stadt zu durchleuchten und Einsparungspotenziale aufzuzeigen. Wir müssen das Budget der Stadt sofort und nachhaltig um mindestens 15 Millionen Euro pro Jahr entlasten, sonst ist Wiener Neustadt spätestens im März 2016 pleite. Wichtig war dabei die Einbindung von Politik, Verwaltung und Bürgern, denn dieser Prozess kann nur auf breiter Basis funktionieren. Mit dem Sanierungsverfahren ist das gewährleistet. Müssen sich die Menschen in Wiener Neustadt auf Sparpakete einstellen? Punktuelle Maßnahmen zu setzen und daraus ein Sparpaket zu schnüren ist nicht nur ideenlos, es wäre in unserer Situation vor allem wirkungslos. Wir brauchen massive Veränderungen in der Struktur, weil die Ausgaben der Stadt für das „tägliche Leben“ viel zu hoch sind. Um es mit einem Privathaushalt zu vergleichen: Wenn ich mir die Miete nicht mehr leisten kann, nützt es wenig, einmal aufs Essengehen zu verzichten. Ist eine Budget-Sanierung ohne Erhöhung der Abgaben denkbar? Genau das wollen wir mit dem Sanierungsverfahren klären. Politik, Verwaltung und Bürger erarbeiten Vorschläge, die Experten bündeln die Ergebnisse in einem nachhaltigen Konzept. Ich kann derzeit nichts ausschließen, wobei bei den zuletzt erhöhten Gebühren die Belastungsgrenze der Menschen schon erreicht ist. Wir haben eine grundsätzliche Deckelung einzogen: Das Verhältnis zwischen Ausgaben kürzen und Einnahmen erhöhen darf maximal 5 zu 1 betragen. Wann sollen die Ergebnisse vorliegen? Das Sanierungsverfahren ist in den kommenden Wochen ein laufender Prozess. Spätestens im Herbst werden wir die Maßnahmen fixieren, weil die Ergebnisse in die Budgets für die Jahre 2016 und 2017 einfließen müssen, um den gesetzlichen Richtlinien zu entsprechen. Die SPÖ hat bei der letzten Gemeinderatssitzung erklärt, dass die bloße Erwähnung ihres finanziellen Versagens – wörtlich – „eine Frechheit ist“ ... Die SPÖ hat eine verheerende finanzielle Situation zu verantworten und bei der Gemeinderatswahl die Rechnung dafür serviert bekommen. Horst Karas und seine Genossen können diese Entscheidung der Wähler ruhig als Frechheit empfinden, aber sie war überlebenswichtig für die Stadt. Denn die SPÖ hatte nicht einmal im Ansatz eine Strategie, wie die Insolvenz der Stadt zu verhindern ist. Das kann ich nach vier Monaten als Finanzstadtrat reinen Gewissens sagen. Die SPÖ behauptet, sie habe immer nur zum Wohl der Stadt gehandelt. Tatsache ist, dass die SPÖ die alleinige Verantwortung dafür trägt, die Stadt finanziell gegen die Wand gefahren zu haben. Alles, was jetzt an Sanierungsmaßnahmen unumgänglich ist, haben die Menschen zu 100 Prozent der SPÖ zu „verdanken“. Jeder in Wiener Neustadt wird die Budget-Konsolidierung in den nächsten Jahren mehr oder weniger negativ zu spüren bekommen. Die derzeitige SPÖ-Führung sollte sich ihrer Vergangenheit stellen und den Menschen erklären, wie es so weit hat kommen können.